Madeirawein










Madeirawein ist ein faszinierender aber oft übersehener Likörwein von der gleichnamigen portugisischen Insel.

Seine Fazination liegt zum einen in seiner Langlebigkeit: Weine aus dem 18. und 19. Jahrhundert können heute noch getrunken und genossen werden. Zum anderen zeichnen sich gerade ältere Madeiraweine durch ihre Komplexität aus.



Madeirawein ist ein verstärkter Wein, d. h. während der Gärung wird dem Wein Alkohol (früher Zuckerrohrschnaps [aguardente], heute meist 96%iger Weinalkohol) zugesetzt, wodurch die Gärung gestoppt wird. Gleichzeitig wird der Wein dadurch stabilisiert. Teilweise wurde und wird der Alkohol nach Beendigung des Gärvorganges hinzugesetzt.
Durch das Verstärken verfügt Madeirawein über einen Alkoholgehalt von 18 % bis 22%.

Madeirawein ist ein oxidierter Wein, d. h. während der Fassreifung, die viele Jahre dauern kann (der '1827 Quinta do Serrado Boal' lagerte 108 Jahre im Fass, wurde 1935  in Demijohns [große Glasballons] umgefüllt, 1988 in Flaschen abgefüllt und dann erst verkauft) kommt der Wein mit Sauerstoff in Berührung. Dies führt zu diversen chemischen Reaktionen, die u. a. dazu führen, dass die Bestandteile des Weines, die ihn destabilisieren, langsam mit dem Sauerstoff reagieren und somit eliminiert werden. Die Oxidation wird für die nahezu unbegrenzte Haltbarkeit des Weines mitverantwortlich gemacht.

Madeirawein ist ein holzfassgereifter Wein, d. h. durch die lange Lagerung im Eichenfass verliert der Wein an Volumen, dadurch wird er konzentrierter und geschmacklich intensiver und komplexer.

Madeirawein ist ein erhitzter Wein. Der Wein wird, nachdem der Gärprozess abgeschlossen ist, er gesprittet wurde und sich einige Monate erholt hat, erhitzt. Durch das Erhitzen wird ein Teil des noch vorhandenen Fruchtzuckers karamellisiert, was dem Wein sein typisches Madeira-Aroma und unverwechselbaren Geschmack verleiht.

Die Insel Madeira ist sehr bergig, so dass es keine großen zusammenhängenden landwirtschaftlichen Anbauflächen gibt. Vielmehr gibt es viele kleine Terrassenfelder, die der Insel kurz nach ihrer Besiedlung abgerungen werden mussten.

Die Madeiraweinproduzenten besitzen keine eigenen Weinfelder. Ausnahmen sind Henriques & Henriques und die Madeirawinecompany. Doch auch sie kaufen Weintrauben von Bauern, da ihre eigenen Felder den Bedarf an Trauben nicht decken. Die Bauern besitzen in der regel auch nicht viele Felder, so dass die Madeiraweinproduzenten mit teilweise mehreren hundert Bauern zusammenarbeiten.



Heute werden die Trauben zu den Winzereien gebracht und dort gepresst. In den vergangenen Jahrhunderten war das nicht der Fall; früher stellte der Bauer aus seinen Trauben Wein bzw. Most her, füllte ihn in ein Behältnis aus Ziegenleder (Borracho) und trug den fertigen Wein bzw. Most zum Weinproduzenten, der damals eigentlich mehr Händler als Winzer war.

Die Träger dieser Borrachos hießen Borracheiros. Es war zweifellos sehr anstrengend einen gefüllten Borracho über steile Fußwege zu den Weinhändlern zu tragen und so mancher Borracho soll bei seiner Ankunft in Funchal nicht mehr ganz voll gewesen sein, so dass Borracheiro auch als Ausdruck für einen Betrukenen verwendet wurde.





Abriss der Geschichte des Madeiraweins


Die Herstellung von Madeirawein, so wie wir ihn heute kennen, wurde zufällig entdeckt.

Schon kurz nach der Entdeckung bzw. Besiedlung Madeiras im Jahr 1419 wurde auf Madeira neben Weizen und Zuckerrohr auch Wein angebaut. Hieraus wurde ein normaler Tafelwein hergestellt. Die ersten Rebsorten, die auf Madeira angebaut wurden, dürften mit großer Wahrscheinlichkeit von portugiesischen Siedlern vom portugiesischen Festland mitgebracht worden sein. Vermutlich wurde der Wein für den Eigenbedarf angebaut, denn das Hauptanbauprodukt war bereits 1466 das Zuckerrohr. Als Exportgut wurde es auf das portugiesische Festland, den Golf von Guinea, die afrikanischen Märkte, die
Märkte des Mittelmeerraumes und den Norden Europas verschifft.

Der Wein spielte zunächst keine große wirtschaftliche Rolle und wurde vermutlich für den Eigenbedarf der Bewohner Madeiras und für die Seeleute, die auf Madeira Station machten, produziert. Der venezianische Seefahrer Alvise da Mosto schreibt in seinen 1505 erschienenen Aufzeichnungen über seine Seereisen, dass er, als er 1450 Madeira anlief, wirklich gute Weine vorfand. Unter anderem erwähnt er bereits die Rebsorte Malvasia Candida, die von Kreta stammt.


1492 entdeckte Christoph Kolumbus Amerika. Als Zuckerhändler hatte er einige Jahre zuvor (1748) auf Porto Santo gelebt und dort Felipa de Perestrelo e Moniz geheiratet, die Tochter des Bartolomeo Perestrelo, einem der drei Kapitäne, die maßgeblich an der Besiedlung Madeiras beteiligt waren. Die Entdeckung Amerikas sollte weitreichende Folgen für Madeira haben.


Wirtschaftlicher Aufschwung 


Funchal erhielt 1508 die Stadtrechte und 1514 lebten bereits 5.000 Menschen auf Madeira. 1515 ließ sich der Italiener Simao Acciaioly auf Madeira nieder. Er soll die Rebsorte Malvasia Babosa eingeführt haben. Das Hauptexportgut Madeiras war zu dieser Zeit immer noch der Zucker. Aber ab 1506 begann allmählich der Niedergang, verursacht durch Überproduktion, Pflanzenkrankheiten und vor allem an der billigeren Zuckerproduktion Südamerikas. Mit und mit wurden ehemalige Zuckerrohrfelder zu Weinfeldern.
 


Der Madeirawein des 15. bis 17. Jahrhunderts


Dieser Wein hatte wenig Ähnlichkeit mit dem heutigen Madeirawein. Es war ein Tafelwein. Wenn auch von guter Qualität, so war er doch nicht für den Export geeignet. Auf den Seereisen wäre er gekippt. Aber bei Einheimischen, Seeleuten und Besuchern war er sehr beliebt.

Dank seiner geographischen Lage wurde die Insel ein wichtiger Halt und Handelsort. Die Schiffe, die sich auf dem Weg nach Indien oder den westindischen Inseln befanden, stoppten auf ihre Route auf Madeira und füllten Nachschub auf. So stieg die Nachfrage nach Madeirawein bei den Schiffsbesatzungen.

Damit Madeirawein ein Exportgut werden konnte, musste die Idee des Aufsprittens erst auf Madeira Einzug halten. Der ausgegorene Wein wurde für die Seereise mit Zuckerrohrschnaps (aguardente) stabilisiert. Somit eignete er sich für den Export und erfreute sich großer Beliebtheit.

 

Schon bald wurde Madeirawein nach Russland, Nordeuropa und nach Amerika exportiert. Der Export erfolgte in 470-Liter-Fässern (pipas).

Doch auch dieser Madeirawein war nicht mit dem heutigem Madeirawein vergleichbar.

 


Der Madeirawein des 18. Jahrhunderts


Der Legende nach kehrte eine Ladung Wein nach Madeira zurück. Als der Händler seinen Wein probierte, war er überrascht, dass sich der Wein geschmacklich verbessert hatte. Schnell fand man heraus, dass die geschmackliche Veränderung an den hohen Temperaturen in den Laderäumen der Schiffe während ihrer Seereisen über den Äquator lag.

Um solche Weine auch nach Nord-Europa, Russland und Nordamerika exportieren zu können, wurden Weine vor dem Export dorthin zunächst auf ein Seereise über den Äquator geschickt und dann erst in nördlichere Bereiche exportiert. Der sogenannte Vinho da Roda war geboren. Doch dies war jedoch eine sehr kostspielige Methode, so dass man dann begann Weine auf Madeira zu erhitzen, indem man Fässer draußen an sonnigen Plätzen lagerte (vinho do sol) oder sie auf Speichern reifen ließ.

Durch die steigende Nachfrage reichte die Sonnenerwärmung und die Lagerung auf Speichern nicht mehr aus. 1794 wurde das erste künstlich erwärmte Lagerhaus (armazem de calor) von Pantelao Fernandes gebaut, das man sich als großes Gewächshaus vorstellen kann. Und bald darauf wurden die Weine mit Hilfe von warmen Wasser zu erhitzen. Eine dreimonatige Erhitzung in den estufas sollte einem Wein ähneln, der vier bis fünf Jahre in einem Holzfass auf einem Speicher gereift hatte.

 

Die wichtigsten Exportgebiete waren Indien und Nordamerika. Besonders in Nordamerika erfreute sich der Madeirawein einer großen Beliebtheit. Als am 04. Juli 1776 die Unabhängigkeitserklärung unterschrieben wurde, stießen die Gründerväter mit Madeirawein darauf an.



Das 19. Jahrhundert


Am Anfang des 19. Jahrhunderts florierte der Madeirahandel. Bis zu 20.000 pipes (eine pipe = 470 l) Madeirawein wurden verschifft. Der Handel wurde von den Briten auf Madeira dominiert und da sie die Insel nahezu wie ein britische Kolonie ansahen, wurden sie bei der einheimischen Bevölkerung unbeliebter. Im Rahmen der napoleonischen Kriege besetze die Britische Armee Madeira, wodurch der Eindruck, dass Madeira eine britische Kolonie sei, verstärkt.

Dadurch, dass inzwischen auch auf den Azoren, Sizilien und Teneriffa „Madeirawein“ produziert wurde und durch einige schlechte Ernten auf Madeira, sank die Nachfrage nach echtem Madeirawein nach 1815 signifikant. Auch der amerikanische Markt war gegen die Konkurrenz nicht zu halten. 1824 hatten die Weinbauern Madeiras 40.000 pipes, die sie nicht verkauft bekamen. Im Rahmen des Miguelistenkrieges wurden für Importgüter Madeiras hohe Steuern erhoben bei einem gleichzeitigen Exportverbot von Madeirawein nach Brasilien. 1830 wurden gerade einmal ein 4680 pipes exportiert. Das war für die Bevölkerung katastrophal, weil Wein nach wie vor das Hauptexportprodukt Madeiras war. 1846 fiel die Kartoffelernte extrem schlecht aus, was zu Hungersnöten führte und 1850 brach die Cholera auf Madeira aus und forderte 10.000 Opfer. All dies führte dazu, dass zwischen 1835 und 1855 ca. 40.000 Menschen von Madeira emigrierten.

1852 traf eine weitere Krise auf Madeira ein: der Mehltau. Mehltau reduziert nicht nur die Qualität der Trauben sondern auch noch den Ertrag. Für eine schon gebeutelte Wirtschaft, deren Hauptexportgeschäft Wein ist, eine Katastrophe. 1855 wurden gerade einmal 36 pipes Wein produziert. Der Mehltau hat die Rebsorte Terrantez nahezu vollständig ausgerottet. Dem Mehltau wurde durch das Bestreuen der Rebstöcke mit Schwefel Einhalt geboten. Aber es dauerte ca. 10 Jahre bis der Weinanbau wieder ähnlich ertragreich war wie vor dem Mehltau.

Durch den amerikanischen Bürgerkrieg (1861 – 1865) brach nun auch der amerikanische Markt weg und die Eröffnung des Suez-Kanal im Jahr 1869 führte dazu, dass der Seeweg nach Indien nicht mehr am Haltepunkt Madeira vorbeiführte.

1872 kam die Reblaus nach Madeira. Die ca. 1mm große Reblaus entzieht den Wurzeln der Reben Saft, wodurch sich zunächst die Ertragsmenge reduziert und die Pflanze später dann eingeht. Für befallene Rebstöcke gab und gibt es kein Heilmittel. Was half, war die Einfuhr von reblausresistenten Rebsorten aus Amerika und die heimischen Rebsorten darauf zu pfropfen. Viele Weinbauern mieden jedoch diesen Aufwand und bauten nur die reblausresistenten Rebsorten an wie z. B. Tinta negra mole.

Zum Ende des 19. Jahrhunderts hatten sich die Weinfelder erholt und es wurde wieder Wein in nennenswerten Mengen produziert: 1895 wurden 8000 pipes produziert und 2,5 Millionen Liter Wein exportiert.



Das 20. Jahrhundert

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